Hafenpost

Schwimmender Staubsauger
#Beschäftigte & Sicherheit|  9 Min.

Schwimmender Staubsauger

Der Arbeitsplatz schwankt, doch schlechte Laune kommt hier nicht auf. So sieht der Alltag der Besatzung auf unserer Seekrabbe aus.

Zwischen Norddeich und Fedderwardersiel ist sie unterwegs: unsere Seekrabbe. Als Hopperbagger sorgt sie dafür, dass Häfen und Zufahrten frei von Schlick und Sand bleiben. Mit Bagger- und Injektionsarbeiten stellt sie sicher, dass die vorgegebenen Solltiefen sowie Sollbreiten erhalten werden. Denn ohne freie Fahrrinnen geht für die Schifffahrt im Wattenmeer nichts. Damit der Schiffsverkehr immer mehr als eine handbreit Wasser unterm Kiel hat, braucht es aber mehr als nur ein Schiff. Erst durch die Crew kann die Seekrabbe ihre Arbeit verrichten. Doch was genau passiert eigentlich an Bord und wer macht was? Wir nehmen euch einen Tag mit an Bord der Seekrabbe.

 

Die Tide gibt den Takt vor

Der Tag beginnt, wenn das Wasser da ist. Es gibt keinen festen Zeitpunkt, an dem die Crew aufwacht und mit der Arbeit startet, denn in den meisten Häfen ist die Seekrabbe tidegebunden. Sie kann also nur dann auslaufen, wenn gerade kein Niedrigwasser herrscht. Sonst bliebe auch sie im Schlick stecken. Der Arbeitsbeginn verschiebt sich deshalb täglich und richtet sich nach dem Hochwasser. Das erfordert besondere Flexibilität vom Team. Sieben Tage am Stück lebt und arbeitet die Crew an Bord, danach haben sie eine Woche frei. Es gibt also zwei feste Teams, die in Wechselschichten arbeiten. Da sich sowohl Einsatzzeit als auch Einsatzort ständig verändern, ist kein Tag wie der andere

An diesem Tag startet die Besatzung erstmal mit einem gemeinsamen Kaffee, bei dem sie ihren Tagesablauf sowie die Arbeitsplanung bespricht. An Bord gibt es einen kleinen Aufenthaltsraum mit Küche (Kombüse), in dem alle zusammenkommen können. 

Stellen wir euch das Team zunächst vor.

Bastian Meints trägt als Kapitän die Verantwortung für die Sicherheit von Crew und Schiff. Er koordiniert sämtliche Abläufe an Bord und steuert die Seekrabbe, wenn es darauf ankommt. Ihm zur Seite steht Jonas Tennhoff, der Erste Offizier. Auch er führt das Schiff und hat stets ein wachsames Auge auf die Sicherheit.

In dieser Woche übernimmt Hardy Isemann, eigentlich auch erster Offizier an Bord, die Aufgaben des Maschinisten und ist somit für alle technischen Anlagen verantwortlich. Durch die Kenntnisse, die er mit dem Befähigungszeugnis „Schiffsmaschinist 750 KW“ erworben hat, prüft und wartet er regelmäßig alle technischen Anlagen. Darüber hinaus ist er als DPA (Designated Person Ashore) für das Sicherheitsmanagement nach internationalen Vorschriften verantwortlich. Decksmann Peter Krause ist in vielen Bereichen an Bord im Einsatz. Er erledigt Instandhaltungs- sowie Konservierungsarbeiten und übernimmt den Dienst in der Kombüse.

Und dann ist da noch Till Caspers : Seit einem Jahr lernt der Auszubildende zum Schiffsmechaniker das Leben und Arbeiten an Bord von Grund auf und packt dabei schon tatkräftig mit an.

 

Alle Mann an Deck

Frisch gestärkt geht’s an die Arbeit. Jeder Handgriff sitzt, jeder weiß, was zu tun ist. Hardy verschwindet gemeinsam mit Till in den Maschinenraum, wo sie vor Abfahrt die Motoren prüfen und anschließend in Betrieb nehmen. Parallel machen sich Bastian und Jonas auf den Weg zur Brücke um dort alles für das Ablegen vorzubereiten. Im Anschluss steuern sie die Seekrabbe zum heutigen Einsatzort auf See.

Was dort passiert, erklärt Bastian: „Wir fahren entlang der Fahrrinne und nehmen das Sediment auf. Auf meinem Bildschirm kann ich sehen, wo die Solltiefe unterschritten ist und wo gebaggert werden muss.“ Nun wird der Baggerarm, der an der Backbordseite der Seekrabbe befestigt ist, ausgefahren und ins Wasser abgesenkt. Am Grund saugt er über die Baggerpumpe das Sediment an, mitsamt einer beachtlichen Menge Wasser. Das Material wird in den Hopper-Laderaum an Bord gepumpt. „Wie ein großer Staubsauger“, beschreibt Jonas das sehr bildlich.

„Man kann nur in Vorausfahrt baggern“, erklärt Bastian. „Würden wir rückwärtsfahren, würde sich der Saugarm am Boden verkeilen. Im schlimmsten Fall bleiben wir stecken oder beschädigen die Technik.“ Also zieht die Seekrabbe systematisch ihre Bahnen. Spur für Spur, ganz nach Plan.

Während Bastian das Schiff steuert, sitzt Jonas am Computer. E-Mails schreiben, Logbücher pflegen, telefonieren. Auch das gehört zum Job. „Das ist sozusagen unser schwimmendes Büro hier, nur mit Funklöchern“, lacht er. Zur Entlastung und um die Konzentration hochzuhalten, wird alle paar Stunden getauscht. Das ist wichtig, denn inzwischen hat sich der Laderaum gefüllt, weshalb der Tiefgang der Seekrabbe zugenommen hat und das Schiff somit tiefer im Wasser liegt. „Achtung, gleich sind wir ein U-Boot“, scherzt Jonas.
 

Auf dem Weg zur Klappstelle

Sobald genügend Sediment aufgenommen wurde, geht’s weiter zur Klappstelle. Das ist ein offiziell zugewiesener Ort in der Nordsee, an dem das Sediment wieder abgelassen werden darf. Bis wir dort angekommen sind, dauert es noch ein wenig. Zeit, bei der restlichen Crew vorbeizuschauen.

Aus der Kombüse hören wir laute Klopfgeräusche und treffen dort Peter. Als Decksmann hat er viele Aufgaben und bereitet gerade das Mittagessen für alle vor. Gemeinsam mit der Crew stellt er jede Woche einen Essensplan auf, geht einkaufen und sorgt dafür, dass es an Bord schmeckt. Heute gibt’s Spargel, Kartoffeln und Schnitzel. Nun erklärt sich uns auch das Klopfen.
 

Und Hardy und Till? Die beiden sind weiter im Maschinenraum unterwegs und kontrollieren die technischen Anlagen. Alles in Ordnung, aber ganz schön warm hier. Im Winter sicherlich kein schlechter Arbeitsplatz. Uns treibt es, nicht zuletzt aufgrund der Lautstärke, dann aber doch wieder nach oben. Das passt sehr gut, denn Peter ruft zum Mittag. Gegessen wird meist in Schichten, damit der Baggerbetrieb weiter gehen kann.

Mittlerweile sind wir an der Klappstelle angekommen. Hier entlädt das Schiff sein Baggergut über die Bodenklappen, deshalb taucht die Seekrabbe langsam wieder auf. Trotz der großen Wassermengen bleibt dabei einiges an Sediment im Laderaum zurück. Was nun? „Dafür haben wir zwei überdimensionierte Wasserpistolen“, erklärt Bastian schmunzelnd. „Damit lösen wir die Reste von den Wänden und spülen den Laderaum frei.“

 

Neben dem Baggern setzt die Seekrabbe übrigens noch eine zweite Methode ein: die Wasserinjektion. Dabei wird das Sediment nicht aufgenommen, sondern mit hohem Wasserdruck am Grund auf einer Breite von zwölf Metern aufgewirbelt. „Das funktioniert besonders im Wattenmeer gut“, erklärt Bastian, „weil die Strömung das Material dann von selbst abtransportiert.“ Der große Vorteil: Das Schiff deckt mit dem Injektionsrohr eine größere Fläche ab und kann auch in Ecken oder direkt an Pierflächen die Liegeplätze bearbeiten. „Dieses Verfahren ist also genau so wichtig wie das Baggern, da wir so die kompletten Hafenflächen bearbeiten können“, bestätigt Bastian.

Nach dem Mittag geht’s weiter: Peter und Till sind wieder draußen an Deck. Heute stehen Instandhaltungsarbeiten an: Schleifen, Reinigen, Konservieren. Während der Pausenzeit von Jonas und Bastian übernimmt Hardy das Steuer und navigiert das Schiff zurück Richtung Hafen.

Es gibt auch Tage an denen das Schiff im Hafen liegt. Dann übernimmt die Crew nötige Wartungs-, Reparatur- oder Konservierungsarbeiten. Langweilig wird es also nie. 
 

Ein Schiff, ein Team

Sieben Tage am Stück arbeiten: Das klingt erstmal ganz schön viel. Aber die Crew weiß genau, was sie von diesem Rhythmus hat. Eine Woche im Einsatz, eine Woche frei. Und das regelmäßig, planbar und im festen Turnus. Auch die An- und Abreise zu den Wohnorten ist kurz und die Arbeitszeiten an Bord sind klar geregelt. Daher arbeiten alle sehr gerne auf „ihrer“ Seekrabbe und können sich vorstellen, noch sehr lange zu bleiben.

An Bord merken wir schnell, dass die Crew ein eingespieltes Team ist. Auch wenn jeder seine festen Aufgaben hat, können sich die meisten vertreten. Fast alle haben eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker oder Wasserbauer, das erleichtert Reparaturen und fördert den Austausch. „Mir ist das besonders wichtig“, sagt Bastian. „Ich gebe als Kapitän natürlich die Richtung vor, aber wir arbeiten alle auf Augenhöhe. Wenn jemand eine andere Idee hat, höre ich zu. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und bin dankbar, wenn wir uns im Team austauschen und gemeinsam Lösungen finden.“
 

Das bestätigt Jonas: „Ich war schon weltweit auf Schiffen unterwegs und habe andere Führungsstile erlebt. Da durfte man wenig Kritik äußern. Umso mehr schätze ich, wie es hier läuft. Wir sind ein tolles Team, da macht das Arbeiten einfach Spaß.“

Und das merkt man sofort. Es wird viel gelacht, gescherzt und auch die Feierabende werden gerne zusammen verbracht. An Deck steht sogar eine kleine Sitzbank (von der Crew „Bord-Biergarten“ genannt), auf der alle den Tag bei schönem Wetter ausklingen lassen. Es gibt einen Grill, eine Waschmaschine, einen Trockner – fast wie zu Hause, nur eben auf See.

Vielen Dank, liebe Seekrabbe-Crew, für eure Offenheit und die vielen Einblicke in euren Arbeitsalltag. Wir wünschen euch stets eine sichere Fahrt und weiterhin so viel Teamgeist sowie gute Laune an Bord.

 

Lerne hier einige unserer handwerklich-technischen Ausbilder:innen besser kennen.

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 24         von: Katja Mädler

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